Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht
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Viele wissen nicht, ob sie als Beschuldigter oder Zeuge verpflichtet sind, eine Aussage zu tätigen oder ob sie das Recht haben, unter bestimmten Umständen diese zu verweigern. Grundsätzlich ist es eine sogenannte Bürgerpflicht, vor Gericht auszusagen. Allerdings gibt es verschiedene Vorschriften, die den Angeklagten, aber auch den Zeugen schützen:
1. Das Aussageverweigerungsrecht
Im Strafrecht ist der aus § 136 Abs. 1 S.2 StPO abgeleitete Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ von großer Wichtigkeit, nach dem sich niemand selbst belasten muss. Diesem Grundsatz entspricht das Aussageverweigerungsrecht, welches dem Beschuldigten oder Angeklagten ermöglicht zur Sache zu schweigen, wenn ihn eine Aussage selbst belasten würde. Somit steht das Aussageverweigerungsrecht nur dem Beschuldigten zu, nicht aber einem Zeugen. Der Beschuldigte muss zudem über sein Schweigerecht zum Beginn der Vernehmung belehrt werden (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO). Zudem muss ihm auch mitgeteilt werden, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und dass er das Recht hat, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.
Wichtig zu wissen ist, dass beispielsweise Polizeibeamten Beschuldigten durch scheinbar unverfängliche Fragen faktisch zu einer Aussage verleiten könnten, bevor der Beschuldigtenstatus besteht. Aus diesem Grund sollte sich der Beschuldigte vor unbedachten Äußerungen auch außerhalb des Gerichts in Acht nehmen und vor einer Aussage einen Strafverteidiger kontaktieren. Dieser kann Sie beraten, ob und in welchem Umfang Sie sich zur Sache äußern sollten.
Wann ist man ein Beschuldigter im Strafverfahren?
Das Aussageverweigerungsrecht steht nur dem Beschuldigten oder Angeklagten zu. Daher ist es entscheidend zu wissen, ab wann jemand als Beschuldigter gilt. Grundsätzlich liegt es im Ermessensspielraum der Strafverfolgungsbehörde, wann eine Person von einem Tatverdächtigtem zu einem Beschuldigten wird. Die zu befragende Person wird spätestens mit der formellen Eröffnung des Ermittlungsverfahrens zum Beschuldigten. Ferner gibt es auch bestimmte strafprozessuale Maßnahmen wie zum Beispiel die Anordnung der körperlichen Untersuchung (§ 81a StPO), die einen Tatverdächtigen zu einem Beschuldigten werden lassen. Sollte während einer Zeugenbefragung der Tatverdacht bestätigt werden, muss die Befragung unterbrochen werden und der nun Beschuldigte muss über seine Rechte belehrt werden.
2. Das Auskunftsverweigerungsrecht
Vom Aussageverweigerungsrecht muss das Auskunftsverweigerungsrecht unterschieden werden. Dieses steht nicht dem Beschuldigten, sondern dem Zeugen während des gesamten Strafverfahrens zu und beinhaltet, dass jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern darf, deren Beantwortung ihn selbst oder einen Angehörigen belasten würde. Über dieses Recht muss der Zeuge vor seiner Befragung belehrt werden (§ 55 StPO).
Oftmals ist es schwierig zu bestimmen, ab wann beziehungsweise mit welcher Äußerung man sich selbst oder einen Angehörigen bereits belastet. Dies wird durch die sogenannte „Mosaiktheorie" des BGH konkretisiert. Danach erstreckt sich das Auskunftsverweigerungsrecht auf solche Fragen, deren wahrheitsgemäße Beantwortung zwar allein nicht eine Strafverfolgung nach sich zieht, die aber „ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude“ betrifft und somit zu einer Belastung des Zeugen beitragen kann (vgl. BGH StV 1987, 328 f.). Das heißt, dass ein Zeuge die Auskunft insgesamt verweigern darf, wenn seine Aussage einen Tatverdacht gegen ihn auch nur mittelbar begründen kann.
3. Das Zeugnisverweigerungsrecht
Grundsätzlich besteht eine Verpflichtung zur Zeugenaussage (sog. Zeugnispflicht) gemäß § 48 Abs. 1 StPO. Allerdings muss ein Zeuge (ebenso wie ein Beschuldigter) nicht bei der Polizei erscheinen. Eine Pflicht zum Erscheinen und zur Aussage besteht nur bei einer Ladung durch einen Richter oder der Staatsanwaltschaft. Befindet sich der Zeuge in einem Gewissenskonflikt, zum Beispiel wenn dieser durch seine Aussage einen Familienangehörigen belasten würde, steht ihm das sog. Zeugnisverweigerungsrecht zu, sodass er die Aussage verweigern kann.
Wann besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht?
Es gibt unterschiedliche Gründe, warum eine Person berechtigt ist, dass Zeugnis zu verweigern. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen Personen, die aus persönlichen Gründen, und Personen, die aus beruflichen Gründen dazu berechtigt sind, das Zeugnis zu verweigern:
aus persönlichen Gründen: Zu dieser Gruppe gehören nahe Angehörige des Beschuldigten wie der/die Verlobte, der Ehegatte/die Ehegattin (selbst wenn die Ehe nicht mehr besteht) oder der Lebenspartner/die Lebenspartnerin. Auch nahen Verwandten, wie beispielsweise die Eltern, Kinder, Geschwister, die Großeltern, Onkel und Tante sowie auch der Schwager oder die Schwägerin, steht das Zeugnisverweigerungsrecht zu (§ 52 StPO).
aus beruflichen Gründen: Hierzu gehören gemäß § 53 StPO Berufsgruppen wie Geistliche, Strafverteidiger, Rechtsanwälte, Ärzten und Psychotherapeuten, Mitglieder von Beratungsstellen etc. Diesen Berufsgruppen ist gemein, dass es ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Berufsangehörigen sowie denjenigen, die auf die Dienstleistung angewiesen sind, besteht.
Zu beachten ist, dass das Zeugnisverweigerungsrecht sowohl bei Straftaten als auch bei Ordnungswidrigkeiten (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung) besteht. Ferner geht das Zeugnisverweigerungsrecht noch über das Auskunftsverweigerungsrecht hinaus: Nach letzterem darf man die Auskunft nur dann verweigern, wenn man sich dadurch selbst belastet, wohingegen das Zeugnisverweigerungsrecht einem darüber hinaus ermöglicht, die Aussage ganz zu verweigern.
Empfohlene Vorgehensweise
Es ist äußerst ratsam, vor jeglicher Aussage einen Strafverteidiger zu kontaktieren. Dieser kann Sie zu Ihrem konkreten Fall beraten und Ihnen erklären, ob und in welchem Umfang Sie zu einer Aussage verpflichtet sind.
Wurde Ihnen bereits eröffnet, dass gegen Sie strafrechtlich ermittelt wird, sollten Sie die Aussage verweigern und unverzüglich einen Strafverteidiger hinzuziehen. Oftmals belasten sich Beschuldigte vor Akteneinsicht durch ihre eigene Einlassung selbst.
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